Das Rad und das Geld als Wegbegleiter
Geld zählt zweifellos zu den herausragenden Errungenschaften der Menschheit. Ähnlich wie das Rad zeichnet es sich durch seine immense Vielseitigkeit aus. Und tatsächlich gibt es einige faszinierende Parallelen zwischen Geld und dem Rad: Das Rad ist eine runde Konstruktion, die auf einer Achse ruht und sich um diese Achse dreht. Geld besteht aus numerisch ausgedrückten Werteinheiten, die in physischen Objekten verkörpert sind, u.a. auch in Münzen in runder Form. Dies eröffnet Geld die Möglichkeit zur Mobilität, da es problemlos von Hand zu Hand weitergegeben werden kann, sofern alle Beteiligten diese Werteinheiten akzeptieren.
Während das Rad durch seine Achse stabilisiert wird, beruht die Mobilität des Geldes auf der universellen Akzeptanz dieser Werteinheit. Ein weiteres gemeinsames Merkmal von Geld und dem Rad ist ihre Resilienz, ihre Unabhängigkeit und ihre Nachhaltigkeit. Ein Fahrrad benötigt lediglich die Muskelkraft des Radfahrers, Schwerkraft beim Abwärtsfahren sowie Wind- und Trägheitskraft beim Ausrollen. Ähnlich kann Geld, sobald es im Umlauf ist, von Nutzer zu Nutzer weitergegeben werden, ohne auf zusätzliche logistische Unterstützung angewiesen zu sein. Es bedarf keiner zusätzlichen Infrastruktur, um beides ins Rollen zu bringen. Die Nutzung ist nachhaltig, weil ressourcenschonend und effizient. Es steht außer Frage, dass sowohl das Rad als auch das Geld in erheblichem Maße die Funktionsweise der Welt beeinflusst haben.
Rad und Auto, Bargeld und Karte: Eine symbiotische Beziehung
Karten im Vergleich zu Bargeld, Autofahren im Vergleich zu Radfahren – auf den ersten Blick mögen sie wie natürliche Gegner erscheinen. Doch in Wirklichkeit sind sie eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig: Die Entwicklung des Fahrrads hat einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung des Automobils gehabt, und der renommierte amerikanische Verkehrsforscher James Flink drückte es treffend aus: „Keine vorherige technische Innovation – nicht einmal der Verbrennungsmotor – war für die Entwicklung des Automobils so wichtig wie das Fahrrad.“ Gleiches gilt für digitale Zahlungsmethoden im Vergleich zu Bargeld.
Von Hand zu Hand: Die Eleganz der Unmittelbarkeit
Ähnlich wie beim Fahrrad, das auch in Brett Scotts Analogie Erwähnung findet, handelt es sich bei Bargeld um eine Technologie mit einem eher analogen Ansatz, die jedoch Vorteile bietet, die „High-Tech“- Alternativen nicht bieten können. Wenn in einem Geschäft mit einer Karte an der Kasse bezahlt wird, ist dieser scheinbar einfache Prozess aufgrund mehrerer Zwischenstationen sehr komplex (inklusive Kreditkartenunternehmen, Anbietern von Kassenterminals und Banken). Datenzentren weltweit interagieren miteinander, um Transaktionsdaten zu sammeln. Im Gegensatz dazu ermöglicht die schlichte Übergabe von Bargeld eine sofortige und endgültige Abwicklung einer Face-to-Face-Transaktion, ohne dass zusätzliche Gebühren für Zahlungsdienstleister anfallen oder Benutzerdaten erzeugt werden.
„Stellen wir uns Bargeld als das Fahrrad des Zahlungsverkehrs vor, hingegen digitale Bezahlsysteme, über App- oder Kartensysteme als das ‚Uber‘ des Zahlungsverkehrs. Wenn
wir das Gleichgewicht der Verkehrsteilnehmer:innen erhalten wollen, wenn die Resilienz des Zahlungsverkehr sichergestellt werden soll, muss sichergestellt sein, dass Fahrradwege (erhalten) bleiben und nicht ‚Uber‘ den Straßenverkehr dominiert. Um ein Gleichgewicht der Kräfte im Geldsystem aufrechtzuerhalten, müssen wir Bargeld in ähnlicher Weise schützen, um sicherzustellen, dass mehrere Bezahlsysteme nebeneinander existieren.“
Brett Scott*
im Gespräch mit der Münze Österreich,
Podcastreihe „Gerstl & Marie“
* Brett Scott ist Autor und Journalist, der sich vor allem mit Fragen des internationalen Finanzwesens und digitaler Währungen befasst.
Österreicher zahlen am Liebsten bar. Die Vorliebe der Österreicherinnen und Österreicher für Bargeld hat gute Gründe: